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Anhörung im Bundestag/Verbände üben massive Kritik am Kohleausstiegsgesetz

Quelle: MBI EnergySource

Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbände haben aus unterschiedlichen Blickwinkeln teils scharfe Kritik am geplanten Kohleausstiegsgesetz geübt, mit dem Deutschland bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen will. Die Bundesregierung weiche mit ihrem Entwurf vom hart erkämpften Kompromiss der Kohlekommission ab, erklärte der stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch, anlässlich der Expertenanhörung im Bundestags-Wirtschaftsausschuss Montag. 

Dies stelle einen "Vertrauensbruch für jeden künftigen Beteiligungsprozess" dar. "Jetzt steht das Parlament in der Pflicht, Vertrauen wiederherzustellen."

Konkret fordert der BDI, die Absenkung der Übertragungsnetzentgelte für private und gewerbliche Verbraucher im Gesetz verbindlich zu verankern. Dieser Zuschuss soll ab 2023 durch Bundesmittel möglich sein, um mögliche Anstiege der Börsenstrompreise zu dämpfen. Lösch betonte, dies nur als Möglichkeit zu nennen, gefährde die Planungssicherheit der Unternehmen. Außerdem müsse "die regulatorische Benachteiligung" der industriellen Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung behoben werden. "Die Eigenversorgung der Industrie leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland und soll dementsprechend im Kohleausstiegsgesetz Anerkennung finden." Mit dem Entwurf für das Kohleausstiegsgesetz soll der Anreiz für Betreiber von Kohle-Heizkraftwerken steigen, auf modernere, gasbetriebene Anlagen umzurüsten. Dafür soll der sogenannte Kohleersatzbonus auf 180 Euro je Kilowatt steigen.

Für die Energiewirtschaft ist das noch viel zu wenig. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert in seiner Stellungnahme zur Expertenanhörung eine Ausweitung und deutliche Erhöhung des Kohleersatzbonus. Der Verband bezweifelt aber mit Blick auf die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz auch "ganz grundsätzlich, dass der Gesetzesentwurf einen 'sicheren' Ausstiegspfad" gewährleiste. Stattdessen gebe es "tiefgreifende Inkonsistenzen zwischen den verschiedenen Regelungsvorschlägen, die in letzter Konsequenz die Versorgungssicherheit gefährden könnten".

Insbesondere beklagt der Verband eine vermeintliche Benachteiligung der Steinkohle. Während die Braunkohle-Giganten RWE und Leag Milliarden-Entschädigungen erhalten, soll es bei der Steinkohle bis bis 2026 Auktionen geben. Danach sind laut Gesetzentwurf auch Zwangsabschaltungen möglich. Der Vorsitzende des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), Michael Wübbels, erklärte, eine entschädigungslose Stilllegung insbesondere junger Steinkohlekraftwerke "gefährdet massiv das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland und verhindert künftige Investitionen kommunaler Energieversorgungsunternehmen in zukunftsfähige Technologien". Der Kritik bei der Steinkohle schließt sich auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) an. Dieses Vorgehen sei "zweifelhaft", so die Stellungnahme.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sorgt der Entwurf nicht dafür, "dass der Kohleausstieg sozialverträglich umgesetzt und die Energiewende erfolgreich vorangetrieben werden kann". Die Erklärung der zuständigen Tarifpartner, dass es einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung gebe, sei nicht ausreichend. Es müsse sichergestellt werden, dass es keine unbilligen Härten gebe.

Scharfe Kritik kam auch von Umweltverbänden. Die Fraktionen im Bundestag müssten den Abschaltpfad im Sinne des Pariser Klimaziels "entschieden nachschärfen" und mit den Braunkohlebetreibern einen Klageverzicht vereinbaren, "damit klima- und umweltpolitische Nachsteuerungen möglich bleiben", erklärte das zivilgesellschaftliche Bündnisses Klima-Allianz Deutschland. Es sei auch falsch, dass RWE eine Bestandsgarantie für den Tagebau Garzweiler erhalte. Dies sei ein "Freifahrtschein zur Zerstörung von weiteren fünf Dörfern, obwohl der Tagebau massiv verkleinert werden müsste".

Kritisch äußerte sich auch das frühere Mitglied der Kohlekommission, Antje Grothus. Mit dem Gesetzentwurf vergebe die Regierung nicht nur sehr leichtfertig die historische Chance der Befriedung, "sondern schafft darüber hinaus neues soziales und klimapolitisches Unrecht".
MBI/DJN/aul/25.5.2020
Erschienen am 25.05.2020
letzte Aktualisierung am 25.05.2020