Newsletter und Analysen für die Neue Energiewelt seit 2003

Ausstiegspfad für Stein- und Braunkohle/Kabinett beschließt Gesetz für das Ende der Kohleverstromung

Quelle: MBI EnergySource

Die Bundesregierung hat jetzt mit dem Kohleausstiegsgesetz den Pfad für die schrittweise Abschaltung von Kraftwerken in Deutschland bis 2038 festgelegt. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch das Gesetzespaket, das jetzt im Bundestag beraten werden muss und auch unter Vorbehalt der beihilferechtlichen Bewertung durch die EU-Kommission steht.
Den Auftakt für das Ende der Kohleverstromung soll RWE mit der Stilllegung des Braunkohlemeilers Niederaußem D (300 MW) im Rheinland machen. Die aktuelle Kohlekapazität von insgesamt 41 Gigawatt (GW) soll 2022 auf jeweils 15 GW Stein- und Braunkohle sinken. Bis 2030 sollen es dann nur noch acht GW Steinkohle und neun GW Braunkohle sein.
Das kohlekraftfreie Enddatum ist auf das Jahr 2038 fixiert, wobei die Regierung vorher prüfen will, ob dieser Termin drei Jahre vorgezogen werden kann. Betreiber von Braunkohlekraftwerken erhalten für die vorzeitige Stilllegung eine Entschädigung von insgesamt 4,35 Milliarden Euro - 2,6 Milliarden für westdeutsche Betreiber (hauptsächlich RWE) und 1,75 Milliarden Euro gehen nach Ostdeutschland. Die Kohleländer erhalten als Strukturhilfe insgesamt 40 Milliarden Euro. "Vor allem aber schaffen wir gleichzeitig Perspektiven für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung auf der Basis von hocheffizienten Gaskraftwerken, die den Übergang in eine treibhausgasneutrale Energieversorgung ermöglichen", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Bei der Steinkohle sollen die älteren Anlagen bis 2026 nach einem Ausschreibungsverfahren abgeschaltet werden. Das Ausstiegsgesetz sieht schon in diesem Jahr ein verkürztes Ausschreibungsverfahren für die Abschaltung von Kraftwerken mit insgesamt vier GW vor. Die Zeit dafür dürfte allerdings knapp werden, da der Bundestag noch das Gesetz verabschieden und die EU-Kommission ebenfalls grünes Licht geben muss. Die Kraftwerksbetreiber geben in den Ausschreibungen Gebote ab, zu welchem Preis sie bereit wären, ihre Anlagen stillzulegen. Sollten dadurch die Reduktionsziele bis 2023 nicht erreicht werden, sieht das Gesetz eine gesetzlich angeordnete Abschaltung der Steinkohlekraftwerke unter Berücksichtigung des Alters und der Versorgungssicherheit vor. Dieser gesetzliche Reduktionspfad für 2024 bis 2026 soll nur bei einer "Unterzeichnung des Ausschreibungsvolumens angewendet" werden.
Als Kompensation sieht das Kohleausstiegsgesetz einen Höchstpreis von 165.000 Euro pro Megawatt Nettonennleistung im verkürzten Ausschreibungsverfahren für das laufende Jahr 2020 vor. Im nächsten Jahr sinkt der Höchstpreis auf 155.000 Euro und schrittweise bis 2026 dann auf nur noch 49.000 Euro pro Megawatt. Je nach Wettbewerbsintensität bei den Ausschreibungen kann dieser Wert niedriger ausfallen.
Ab 2027 sind keine Ausschreibungen mehr vorgesehen. Dann nämlich sollen die Steinkohlekraftwerke ohne Entschädigung vom Netz genommen werden. Welche Kraftwerke in welcher Reihenfolge bis 2038 abgeschaltet werden, legt die Bundesnetzagentur nach den bekannten Kriterien fest. Das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 (ca. 1.000 MW) von Uniper darf in diesem Jahr kommerziell ans Netz gehen weil das Kraftwerk bereits über eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügt.
Süddeutsche Kraftwerke sollen aus Gründen der Versorgungssicherheit zunächst nicht abgeschaltet werden. Grundlegend gilt bei den geplanten Stilllegungen, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gefährdet werden darf. Sie soll im Rahmen eines fortlaufenden Monitorings überwacht werden, heißt es dazu im Gesetz. Bis zum 30. November 2020 sind die Übertragungsnetzbetreiber angehalten, eine langfristige Netzanalyse vorzulegen. Diese beschreibt, welche Auswirkungen die gesetzliche Reduzierung der Stein- und Braunkohleverstromung auf die Netzstabilität und Versorgungssicherheit hat.
Die Regierung geht davon aus, dass der Kohleausstieg und Anpassungen bei der KWK-Förderung zu einer Strompreissteigerung für Endkunden führen werden. Betreiber von Kohleblöcken sollen künftig einen zusätzlichen finanziellen Anreiz bekommen, wen sie ihre Anlagen auf moderne Gas-Heizkraftwerke umstellen. Dieser einmalige Kohleersatzbonus liegt bei 180 Millionen Euro pro Gigawatt Kohlekapazität, die aus dem Markt genommen wird. Das Fördervolumen ist auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gedeckelt. Altmaier versprach, dass ein großer Teil der Einnahmen aus dem CO2-Preis für Verkehr und Wärme für die Senkung der Ökostromumlage genutzt werden soll. "Bezahlbarkeit von Strom als wichtiges Gut im Blick haben und entsprechend auch handeln wollen", so der CDU-Politiker. Während die geplanten Reduktionsmengen den Empfehlungen der Kohlekommission entsprechen, weicht der Gesetzentwurf aber von einer anderen Vorgabe ab. Bis 2025 sollte "ein substanzieller Zwischenschritt bei der Emissionsminderung" von 10 Millionen Tonnen CO2 erreicht werden, hieß es im Abschlussbericht der Kommission. Davon ist im Gesetzentwurf nichts mehr zu lesen. Mitglieder der Kohlekommission hatten in der vergangenen Woche daran scharfe Kritik geübt. 
 Der Kohleausstieg kann nach Ansicht der Bundesregierung auch zu einer Erhöhung des Börsenstrompreises führen. 
Für diesen Fall hat die Bundesregierung eine Entlastung ab 2023 zugesagt. Vorgesehen ist ein Zuschuss, um die Entgelte für die Übertragungsnetze zu dämpfen. Auch Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen dann einen jährlichen Zuschuss für die zusätzlichen Stromkosten erhalten.
Ali Uluçay
MBI/aul/29.1.2020
Erschienen am 29.01.2020
letzte Aktualisierung am 29.01.2020