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Baden-Württemberg verliert sein Windkraft-Ziel aus den Augen

Quelle: MBI EnergySource

Die Zahl 1.000 stand. Monatelang. Und unwidersprochen. Die baden-württembergische Landesregierung wolle in den kommenden Jahren 1.000 Windräder bauen, hieß es immer wieder, das Land wolle endlich aus den Startblöcken kommen und seine Klimabilanz deutlich ausbauen. Aber das Ausbauziel ist in weite Ferne gerückt.  
"Das ist ja realistischerweise überhaupt nicht zu schaffen", sagte am Dienstag Regierungschef Winfried Kretschmann. "Jedes Jahr, wo ich nicht baue, muss ich ja im nächsten Jahr mehr bauen", fügte der Grünen-Politiker mit Blick auf lediglich 28 errichtete Anlagen im Jahr 2021 hinzu. Die Regierung habe aber auch nie versprochen, 1.000 Windräder bis zum Ende der Legislaturperiode zu bauen, deutete er in Stuttgart an.

Mit dem derzeitigen Stand sei er "natürlich nicht zufrieden", räumte Kretschmann ein. Die jüngsten Statistiken und der starke Kontrast zwischen dem baden-württembergischen Windpark und den Erwartungen von Parteifreund und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dürften auch ihn ernüchtert haben. Ziel müsse es werden, 100 Räder im Jahr aufzustellen, gibt er nun als Vorgabe aus. "Das ist glaube ich auch einigermaßen realistisch."

Im vor einem Jahr unterzeichneten grün-schwarzen Koalitionsvertrag heißt es unter anderem, es sollten die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 1.000 neuen Windkraftanlagen geschaffen werden. Der Ministerpräsident nannte am Dienstag als wesentliches Hindernis die geänderten Ausschreibungsbedingungen des Bundes, durch die sich windärmere und hügeligere Bundesländer seit mehreren Jahren benachteiligt fühlten. Mit den neuen Regeln sei die Bilanz im Südwesten geradezu abgestürzt. Baden-Württemberg fordert deshalb seit längerem eine Südquote.

Der Südwesten und auch viele andere Bundesländer hinken nach jüngsten Zahlen weiter meilenweit hinter dem Ziel der Bundesregierung für den Ausbau der Windkraft hinterher. Der Bund will, dass zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern ausgewiesen werden - in Baden-Württemberg sind es bislang 0,2 Prozent. Als ein gewichtiges Problem für den Ausbau gilt die fehlende Verfügbarkeit von Flächen. Vor allem Mindestabstände und genehmigungsrechtliche Hindernisse verkleinern das Potenzial.

Baden-Württemberg will deshalb versuchen, vor allem die Planungs- und Genehmigungsdauer für Windräder um die Hälfte zu verkürzen. Unter anderem wird das Recht auf Widerspruch bei der Genehmigung von Windrädern größtenteils abgeschafft. Außerdem rechnet Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) im Konflikt um den Artenschutz bereits in diesem Jahr mit den ersten Projektplanungen in Landschaftsschutzgebieten.

Die Abläufe in Deutschland seien "sehr, sehr schwergängig", kritisierte Kretschmann. Das Brett, das gebohrt werden müsse, sei sehr dick. "Dieses Land ist in einem unglaublichen Maße überbürokratisiert. Das muss Deutschland ändern, sonst wird es ins Hintertreffen geraten."

MBI/dpa/map/3.5.2022
Erschienen am 03.05.2022
letzte Aktualisierung am 03.05.2022