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Das Suchen nach mehrheitsfähigen Klimaschutz-Maßnahmen

Quelle: Der Tagesspiegel (Auflage: 110.471) Seite 5 Susanne Ehlerding und Georg Ismar

Originaltitel: Die Klimakanzlerin ist zurück - oder?
Originaluntertitel: Angela Merkel will sich überraschend doch der CO2-Reduktions-Initiative Emmanuel Macrons
anschließen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag auf dem "Petersberger Klimadialog" eine Überraschung parat: Sie erklärte, dass die Bundesregierung nun doch prüfen werde, ob man sich der Initiative von neun EU-Ländern um Frankreich anschließt, den Treibhausgasausstoß bis 2050 auf null zu fahren. Dass die Sorge der Bundesregierung, die Bürger zu überfordern, nicht ganz unberechtigt ist, zeigen aktuelle Umfragen. Eine Mehrheit ist zwar der Meinung, dass in Deutschland zu wenig für den Klimaschutz getan werde. Gleichzeitig ist eine Mehrheit gegen eine CO2-Steuer, selbst wenn dabei Entlastungen in anderen Bereichen eingeführt würden.
Der Ruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als "Klima-Kanzlerin" hat schwer gelitten. Und so wurde der Auftritt Merkels auf dem "Petersberger Klimadialog" am Dienstag von Protesten von Klimaschutz-Aktivisten begleitet. Deren Tenor lautet: "Erfolgreiche Klimapolitik wird an der Menge an eingesparten Emissionen gemessen, nicht an der Anzahl an Klimadialogen und Gesprächskreisen zu denen die Kanzlerin einlädt", wie es die Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner auf den Punkt bringt. Dabei hatte Merkel durchaus eine Überraschung im Gepäck: Sie erklärte, dass die Bundesregierung nun doch prüfen werde, ob man sich der Initiative von neun EU-Ländern um Frankreich anschließen kann, den Treibhausgasausstoß bis 2050 auf null zu fahren. Es ist die neueste Wendung eines bemerkenswerten Schauspiels: Eine CDU-Kanzlerin, die rhetorisch weiter die Klima-Kanzlerin gibt, die aber von der eigenen Partei und ihrer Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ausgebremst wird. Eine SPD-Umweltministerin, die viel ankündigt, aber wenig durchbekommt und die sich Frankreichs Initiative sofort demonstrativ angeschlossen hat. Das alles spielt sich ab, bevor die Bundesregierung nächste Woche milliardenschwere Maßnahmen für die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen beschließen will. Und das ist gewissermaßen erst der Anfang: Bis Ende des Jahres soll ein Klimaschutzgesetz erarbeitet werden. Doch die Debatte um das Nullemissions-Ziel zeigt, dass es harte Konflikte geben wird und ein Erfolg unsicher ist. Derzeit hinkt Deutschland hinterher, weil die Bundesregierung fürchtet, die Bürger zu überfordern. Dass das nicht ganz unberechtigt ist, zeigen aktuelle Umfragen. Das "ZDF-Politbarometer" hat herausgefunden, dass zwar 68 Prozent der Meinung sind, dass in Deutschland zu wenig für den Klimaschutz getan werde. Gleichzeitig sind aber 61 Prozent gegen die Einführung einer CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe, selbst wenn dabei steuerliche Entlastungen in anderen Bereichen eingeführt würden. Und dabei ist die Lage so ernst: US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1950er-Jahren noch nie so hoch war wie heute.
Erschienen am 15.05.2019
letzte Aktualisierung am 15.05.2019