Newsletter und Analysen für die Neue Energiewelt seit 2003

Großbritannien: geräuschloser Kohleausstieg durch CO₂-Mindestpreis

Quelle: WirtschaftsWoche (Auflage: 133.657) Seite 23 Sascha Zastiral

Originaltitel: Mit Kohle gegen Kohle
Originaluntertitel: Großbritannien organisiert leise den Kohleausstieg und avanciert zum Vorreiter bei
erneuerbaren Energien - dank einer CO₂-Steuer.
Markt wirkt. Der Aufstieg der Erneuerbaren und das parallele Verdrängen von Kohle aus dem englischen Strommix von knapp 40 Prozent im Jahr 2012 auf weniger als sieben Prozent im Jahr 2017 sind einem nationalen CO₂-Mindestpreis von 18 Pfund pro Tonne CO₂ zu verdanken.
Noch im Jahr 2012 wurden knapp 40 Prozent des britischen Stroms mit Kohle erzeugt, erinnert die „Wirtschaftswoche“; 2017 waren es noch weniger als sieben Prozent. Es sei fast nur noch Formsache, dass Großbritannien das letzte Kohlekraftwerk wie geplant bis 2025 abschalte. Begleitet werde der Abschied vom Kohlestrom von einem Boom der erneuerbaren Energieträger. Deren Anteil an der Stromerzeugung sei von 11,4 Prozent im Jahr 2012 auf fast 30 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Am 1. April 2013 sei der sogenannte "carbon price floor" in Kraft getreten: ein Mechanismus, der dafür sorge, dass der CO₂-Preis nie unter eine festgelegte Schwelle falle. Anfangs lag seien es 16 Pfund pro freigesetzter Tonne CO₂ gewesen. Da bei der Verbrennung von Kohle viele Treibhausgase entstehen, habe sich der Kohlestrom quasi über Nacht verteuert, beschreibt es die „Wirtschaftswoche“. „Britische Energieerzeuger mussten zwar auch davor schon über ihre Teilnahme am EU-Emissionshandel Zertifikate für jede ausgestoßene Tonne Kohledioxid vorweisen. Doch dieser Preis schwankte stark. Nach der Finanzkrise 2008 stürzte er ab und lag zeitweise bei unter fünf Euro.“ Der Mindestpreis-Mechanismus habe diese Schwankungen aufgefangen. Die Gaskraftwerke des Landes, die damals zum Teil nur schwach ausgelastet gewesen seien, wurden rentabel. „Mehr als zwei Dutzend Kohlekraftwerke dagegen gingen in den folgenden Jahren vom Netz. Heute sind nur noch sieben von ihnen im Betrieb.“ In der Folgezeit nahmen auch die Investitionen in erneuerbare Energien zu – dank großzügiger Fördermittel, „aber vor allem, weil der Mindestpreis für Planungssicherheit bei Investitionen in die sauberen Energien sorgte.“ Allerdings bleibt das Konzept nun auf halbem Wege stehen: Bis 2020 sollten die Kosten einer Tonne CO₂ auf mindestens 30 Pfund steigen, ab 2030 auf mindestens 70 Pfund. Die Industrie lobbyierte dagegen; die Politik bekam kalte Füße. 2016 wurde der "carbon price floor" bis 2021 auf 18 Pfund pro Tonne CO₂ eingefroren.
Erschienen am 01.03.2019
letzte Aktualisierung am 01.03.2019