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Interview mit CEO Peter Reitz zum 20. Geburtstag der EEX/Wachstumsstory ist noch lange nicht zu Ende

Quelle: MBI EnergySource

Die Energie- und Commodities-Börse EEX in Leipzig ist in diesen Tagen 20 Jahre alt geworden. Aus bescheidenen Anfängen hat sich die Deutsche-Börse-Tochter unter anderem zur größten Strombörse der Welt entwickelt und ist mittlerweile global aktiv. Beflügelt von der Liberalisierung der Energiemärkte und der generellen Globalisierung der Wirtschaft hat die Börse 2019 einen Umsatz von 304,2 Millionen Euro erwirtschaftet, 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Vorsteuergewinn stellte sich auf knapp 98 Millionen Euro. Die Wachstumsstory, die hinter diesen Zahlen steht, so EEX-CEO Peter Reitz im Gespräch mit MBI Energy Daily, ist noch lange nicht zu Ende, selbst an den etablierten europäischen Energiemärkten nicht. Dort nimmt beispielsweise der Anteil des ungeclearten, außerbörslichen Stromhandels zugunsten des Börsenhandels weiter ab. 

MBI Energy Daily: Wenn Sie auf die kommenden fünf Jahre schauen: Wie verändert sich die Rolle der wichtigen Player am Markt, der traditionellen Energiegroßproduzenten, der Anbieter von Erneuerbaren und der spekulativ geprägten Anbieter?
 
Peter Reitz: Die Unterscheidung zwischen den traditionellen Energiegroßproduzenten und den Erneuerbaren-Anbietern verschwimmt zusehends. Zum einen, weil die traditionellen Energieversorger ihr Portfolio immer stärker auf Erneuerbare umstellen. Und zum anderen, weil die Anbieter der Erneuerbaren eigentlich die "neuen Traditionellen" sind in einem Markt, der zu mehr als 50 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht. Was die Anleger aus den Finanzmärkten betrifft: Einige Banken haben sich in den vergangenen Jahren aus dem Energiehandel zurückgezogen, aber die Händler sind im Markt geblieben. Sie sind zum Beispiel zu Commodity-Hedgefonds gegangen, für die die Energiemärkte immer interessanter werden, weil sie liquider werden. Teilnehmer aus dem Finanzmarkt stellen zusätzliche Liquidität bereit von denen dann die Produzenten und auch die Verbraucher in diesem Markt profitieren, zum Beispiel durch engere Spreads.

Wo liegen denn die künftigen Wachstumspole für die EEX-Gruppe?

Der Erneuerbaren-Anteil im Stromhandel wird zunehmen, was starkes Wachstum im ganz kurzfristigen Intraday-Bereich bedeutet. Aber dieses Wachstum geht nicht auf Kosten des Langfristhandels. Im Gegenteil, der Trend zum geclearten Geschäft an der Börse setzt sich fort und wir konnten weitere Marktanteile gewinnen. Aktuell beträgt der Anteil des außerbörslichen Stromterminhandels in Europa 50 Prozent. Im langfristigen Bereich eröffnet uns auch der Trend zu PPAs, also Strom-Langfristverträgen, neue Chancen. Über unser Clearing können wir das Ausfallsrisiko absichern. Denn wenn Sie ein PPA mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren abschließen, sollte sichergestellt sein, dass Ihr Vertragspartner dann noch am Markt ist und seine Verpflichtungen noch erfüllen kann. Wir haben deshalb vor, Stromhandel bis zum Ende der Dekade zu ermöglichen. Bislang kann man das bei uns nur sechs Jahre im Voraus. Der PPA-Markt in Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen. In Spanien beispielsweise ist man da schon viel weiter. 

Als alternative Quelle für die Finanzierung von Erneuerbaren aber auch als Möglichkeit, Altanlagen nach Ende der EEG-Förderung im Markt zu halten, könnten Herkunftsnachweise eine wichtige Rolle spielen. Gab es nicht schon Pläne der EEX, den Handel mit Herkunftsnachweisen aufzunehmen? 

Wir hatten nicht nur Pläne, sondern auch schon Produkte. Aber diese Produkte kamen zu früh. Der Markt war noch nicht standardisiert genug. Wir schauen uns die Entwicklung bei den Herkunftsnachweisen sehr genau an. Wir sind übrigens auf diesem Feld schon aktiv. Wir versteigern die französischen Herkunftsnachweise und sind durch unsere finnische 100-Prozent-Tochter Grexel auch Dienstleister für die Registrierung solcher Nachweise. 

Wo will denn die EEX geographisch noch weiter wachsen? Lautet da nicht das Zauberwort "Asien"? 

Jeder Markt, der die rechtlichen und regulatorischen Voraussetzungen erfüllt, ist für uns potenziell interessant. In Europa wachsen wir beispielsweise in den zum Teil noch recht jungen Strommärkten Ost- und Südosteuropas, in den USA sind wir bei Strom Marktführer durch unsere US-Tochter Nodal Exchange, für Japan haben vor kurzem Produkte an den Markt gebracht. Wir sind mittlerweile die größte Strombörse der Welt. Allerdings erfüllen viele asiatische Märkte die regulatorischen Voraussetzungen noch nicht, damit wir dort aktiv werden können. 

Wenn von Asien die Rede ist, darf der Hinweis auf China nicht fehlen. Dort kooperieren Sie mit chinesischen Börsen am CO2-Markt ..
 
Wir kooperieren mit den Märkten in Peking, Shanghai und Guangdong. Dabei geht es um die Vernetzung regionaler chinesischer CO2-Märkte. Das Fernziel lautet aber, einen weltweiten Preis für CO2 zu ermitteln. Die Problematik des Klimawandels macht ja nicht vor Ländergrenzen halt. 

Auf die Vorteile solcher Börsengroßorganisationen wie etwa das Cross-Margining weisen Sie in ihren Interviews immer wieder hin. Trotzdem erscheinen gefühlt alle vierzehn Tage Meldungen über neue Plattformen, die Stromhandel ermöglichen. Sind diese nicht eine Konkurrenz für die EEX? 

Das ist keine Konkurrenz für uns, sondern eher eine sinnvolle Ergänzung. Diese Plattformen haben ja häufig einen regionalen Bezug. Wenn auf der regionalen Ebene der Saldenausgleich nicht gelingt, kommen wir ins Spiel.

Sie sind ja längst keine reine Strombörse mehr, nicht einmal mehr eine reinrassige Energiebörse. Von welchen Erwägungen lassen sie sich bei der Erschließung neuer Märkte leiten?

Unser Ziel ist es, uns als die präferierte globale Commodity-Börse zu etablieren. Natürlich sind wir hier im Austausch mit unseren Kunden, nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Nordamerika. Wir sind zum Beispiel Weltmarktführer bei Frachtraten. Das ist eine Position, die wir uns über Jahre erarbeitet haben. Wenn wir bereits Kunden in benachbarten Märkten haben, stellt sich für uns die Frage, ob wir diesen Kunden Synergieeffekte bieten können, wenn wir ihnen Handelsmöglichkeiten auf diesem neuen Markt eröffnen, beispielweise im Bereich LNG. Irgendwann werden wir vielleicht auch Produkte für Wasserstoff anbieten. Aber das wird noch eine Weile dauern. 

Das Interview führte Claus-Detlef Großmann.
MBI/cdg/25.6.2020
Erschienen am 25.06.2020
letzte Aktualisierung am 25.06.2020