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Nach Stromausfall in Südosteuropa/Netzverantwortliche zerstreuen Sorgen der Industrie vor Blackout

Quelle: MBI EnergySource

Nach dem größeren länderübergreifenden Stromausfall in Süd- und Osteuropa in der vergangenen Woche wollen deutsche Behörden und Netzbetreiber Sorgen der Industrie über die Sicherheit des europäischen Verbundnetzes zerstreuen. "Die Sicherungsmechanismen haben gegriffen und die Versorgungssicherheit in Deutschland war nicht gefährdet", erklärte die Bundesnetzagentur. 

Der Technikchef des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, Hendrik Neumann, sagte, er könne Sorgen der Industrie mit Blick auf den Vorfall zwar nachvollziehen, "würde es aber nicht dramatisieren". Bedenken wurden etwa aus der Energie- und Kraftwirtschaft angemeldet.

Die Verantwortlichkeiten hätten "sehr gut funktioniert", die Prozesse seien "gut abgestimmt" gewesen und das, was geprobt worden sei, sei "bestmöglich umgesetzt worden", so der Amprion-Technikchef. Zu der Störung im kontinentaleuropäischen Stromübertragungsnetz war es am Freitagnachmittag gekommen. Laut der Netzagentur kam es "zur temporären Abtrennung der Region Süd-Ost-Europa", schrieb der Pressesprecher der Bundesnetzagentur, Fiete Wulff. Die Ausfälle betrafen demnach Griechenland, Nord-Mazedonien, Bulgarien, Serbien, Rumänien, Bosnien, Herzegowina, die Türkei und Kroatien.

Auch in Österreich waren die Folgen spürbar: Laut dem dortigen Netzbetreiber Austrian Power Grid kam es zu einer Unterfrequenz in Europa mit einer kurzfristigen Frequenzabweichung von rund 260 Megahertz. Um die Störung zu beheben, wurden laut der Bonner Netzagentur in Italien und Frankreich für rund 40 Minuten Lasten zwischen 1 bis 1,3 Megawatt abgeschaltet. "Durch die zwischen den europäischen Übertragungsnetzbetreibern abgestimmten Schutzmaßnahmen konnte das System stabilisiert werden", so Pressesprecher Wulff. Insgesamt dauerte der Vorfall, den die deutsche Behörde weiter untersucht, zwischen einer und anderthalb Stunden.

Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, Herbert Saurugg, erklärte in einem Blogeintrag, der Vorfall sei "die zweitschwerste Großstörung im europäischen Verbundsystem" seit November 2006 gewesen. Damals verursachte die Abschaltung von zwei Leitungen in Deutschland einen umfassenden Blackout in Westeuropa, durch den etwa zehn Millionen Haushalte plötzlich ohne Strom waren. Die jetzige Ursache lag laut Saurugg möglicherweise im rumänischen Siebenbürgen. Eine gesamtstaatliche Blackout-Vorsorge sei "zwingend erforderlich", forderte der Krisenexperte bei Twitter.

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) erklärte am Montag, der Vorfall von Freitag sei "leider nicht der erste seiner Art" gewesen. "Aber er muss uns allen eine Warnung sein, das Thema Netzstabilität und Versorgungssicherheit nicht aus dem Blick zu verlieren", sagte VIK-Geschäftsführer Christian Seyfert. "Deutschland kann nicht davon ausgehen, dass wir schon irgendwie aus dem europäischen Ausland versorgt werden, sollte es bei uns nicht ausreichend Strom geben."
MBI/DJN/aul/12.1.2021
Erschienen am 12.01.2021
letzte Aktualisierung am 12.01.2021