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Netzagentur lehnt Antrag ab/Nord Stream 2 erhält keine Ausnahme von Regulierung

Quelle: MBI EnergySource

Die Ostseegaspipeline Nord Stream 2 erhält in Deutschland keine Befreiung von der Regulierung und muss daher insbesondere die Regeln für die Entflechtung von Netz und Erzeugung einhalten. Die Bundesnetzagentur hat den entsprechend Antrag des gleichnamigen Betreiberkonsortiums Nord Stream 2 auf Freistellung des im deutschen Hoheitsgebiet liegenden Teils der Gasleitung abgelehnt, wie die Regulierungsbehörde in Bonn am Freitag mitteile. 

Zwar können Pipelines aus Drittstaaten außerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen von den Vorgaben freigestellt werden, wenn sie vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt waren. Dies trifft nach Beurteilung der Bundesnetzagentur für Nord Stream 2 aber nicht zu.

Die russisch-deutsche Pipeline sei zum 23. Mai vergangenen Jahres noch nicht komplett verlegt gewesen, argumentiert der Regulierer. Daher unterliege sie den deutschen und europäischen Regelungen zur Entflechtung, zum Netzzugang und zur Kostenregulierung. Die Netzagentur versteht den Begriff der Fertigstellung baulich-technisch. Im Gegensatz dazu vertritt die von der russischen Gazprom geführte Nord Stream 2 ein wirtschaftlich-funktionales Verständnis und knüpft dafür an die zeitlich vor dem 23. Mai 2019 liegende Investitionsentscheidung an.

"Nord Stream 2 ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Pipeline zum Stichtag 23. Mai 2019 im wirtschaftlichen Sinne fertiggestellt war", erklärte ein Sprecher des Betreiberkonsortiums auf Nachfrage von MBI Energy Daily. Das Unternehmen habe auf Grundlage geltender rechtlicher Rahmenbedingungen unwiderrufliche Investitionen in Milliardenhöhe für die Gasleitung getätigt - lange bevor die EU-Kommission die Änderung ihrer Gasrichtlinie bekanntgegeben hatte. Eine Reduzierung des Begriffs "fertiggestellt" auf den Abschluss des physischen Baus einer Leitung verstoße gegen den Vertrauensschutz und andre Grundrechte der EU. Darüber hinaus verletze sie auch das deutsche Grundgesetz, argumentiert Nord Stream 2.
 
Das Betreiberkonsortium behält sich rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur vor. Zuvor will das Unternehmen aber die offizielle Entscheidung der Behörde abwarten und diese dann prüfen, wie der Sprecher weiter mitteilte. Nord Stream 2 hat die Änderung der EU-Gasrichtlinie vor dem Gericht der Europäischen Union und nach dem Energiecharta-Vertrag bereits juristisch angefochten, weil sie eine diskriminierende Wirkung darin sieht.

Die neue EU-Gasrichtlinie sieht die Anwendung europäischer Binnenmarktregeln, insbesondere der eigentumsrechtlichen Entflechtung (Unbundling), für Gasleitungen mit Drittstaaten außerhalb der EU vor und wurde vor allem mit Blick auf die umstrittene russisch-deutsche Ostseegaspipeline Nord Stream 2 auf den Weg gebracht. Die europäischen Vorgaben wurden im deutschen Energiewirtschaftsgesetz umgesetzt und traten am 12. Dezember 2019 in Kraft.

Das in der EU-Gesetzgebung vorgeschriebene Unbundling lässt in Deutschland aber verschiedene Umsetzungsalternativen zu: die vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung oder unter strikten regulatorischen Vorgaben im Energiewirtschaftsgesetz die Benennung eines Unabhängigen Systembetreibers (ISO) oder die Einrichtung eines Unabhängigen Transportnetzbetreibers (ITO). Das Unternehmen kann dabei selbst entscheiden, welche Option es wählt. Letztlich aber erschweren die Regelungen den Betrieb von Nord Stream 2.
Ali Uluçay

MBI/aul/15.5.2020
Erschienen am 15.05.2020
letzte Aktualisierung am 15.05.2020