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Ohne CO₂-Steuerreform lohnen sich viele innovative Technologien nicht

Quelle: DIE WELT (Auflage: 182.318) Seite 20 Norbert Lossau

Originaltitel: Die Glaubwürdigkeit des Landes ist in Gefahr
Originaluntertitel: Wo steht Deutschland bei Forschung und Innovation? Eine Expertenkommission hat die Lage
für die Bundesregierung beurteilt
Professor Dietmar Harhoff vom MPI für Innovation und Wettbewerb sagt: „Der Einzelne kann nur dann rationale Entscheidungen treffen und Firmen sich bestimmte Innovationsziele setzen, wenn es einen einheitlichen, ausreichend hohen Preis für CO₂-Emissionen gibt.“ Sonst „lohnen sich Investitionen in innovative und klimafreundliche Technologien kaum“.
Interview mit Professor Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München | „Die Bundesregierung schiebt das Thema einer CO₂-orientierten Steuerreform vor sich her. Ohne diese Reform lohnt sich der Einsatz vieler innovativer Technologien und Geschäftsmodelle nicht. Hier muss schnell gehandelt werden, wenn wir nach dem absehbaren Verfehlen des Emissionszieles 2020 die formulierten Ziele zur Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen für 2030 oder 2050 noch erreichen wollen“, mahnt Harhoff, der auch Vorsitzender der „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) ist, die seit 2008 im Auftrag der Bundesregierung jährlich ein Gutachten zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands vorlegt. Harhoff: „Der Musterknabe beim Ankündigen von CO₂-Einsparungen ist dabei, sich zu blamieren. Unsere Glaubwürdigkeit ist in Gefahr, und wir müssen hier dringend handeln. Es reicht nicht, einzelne Kommissionen für Felder wie die Energiewirtschaft einzusetzen. Die Politik klebt ein Heftpflaster nach dem anderen auf die Wunde, doch das reicht nicht mehr. Wir müssen Sektorkopplung ernst nehmen und die verschiedenen Sektoren der Energiewirtschaft, Strom, Verkehr, Industrie, Heizen zusammen denken und das Thema systemisch in den Griff bekommen. Das wird nur funktionieren, wenn wir den Hebel beim CO₂-Preis ansetzen, der viel zu niedrig ist. Investitionen in innovative und klimafreundliche Technologien lohnen sich daher kaum. Der Einzelne kann nur dann rationale Entscheidungen treffen und Firmen sich bestimmte Innovationsziele setzen, wenn es einen einheitlichen, ausreichend hohen Preis für CO₂-Emissionen gibt. Was wir also brauchen, ist eine CO₂-Steuerreform. Um gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu schaffen, ist es wichtig, die Steuereinnahmen auch für die Unterstützung einkommensschwacher Haushalte einzusetzen.“
Erschienen am 28.02.2019
letzte Aktualisierung am 28.02.2019