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Plattform Klimaneutrales Stromsystem/Ökostromverbände fordern flexibleres Strommarktdesign

Quelle: MBI EnergySource

Vor der Auftaktsitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem in Berlin haben die Interessenvertretungen der erneuerbaren Energien ein flexibles neues Stromsystem gefordert, das den Bedürfnissen der meist dezentral angelegen Ökostromanlagen besser gerecht wird und die Schwächen des aktuellen Systems beseitigt.
Nötig sei ein zügiger Reformprozess, um das künftig vollständig auf erneuerbaren Energien beruhende Energiesystem konsequent aufzubauen und abzusichern, wie der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), der Bundesverband Windenergie (BWE) und die Bioenergieverbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten.

Das bestehende Strommarktdesign sei nach den Bedürfnissen fossiler und atomarer Großkraftwerke ausgerichtet. Anlagenparks von erneuerbaren Energien seien hingegen meist dezentral angelegt.

Am Vormittag sind in Berlin erstmals Akteure aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammengekommen, um über die Ausgestaltung eines klimaneutralen Stromsystems zu sprechen. Bis 2030 sollen nach Plänen der Bundesregierung 80 Prozent des Bruttostrombedarfs aus erneuerbaren Energien stammen. Aktuell sicheren sie 50 Prozent des Energiebedarfs. Bis spätestens 2045 sollen Erneuerbare den gesamten Bedarf in allen Sektoren decken.

Das neue Stromsystem soll nach den Plänen ein nachhaltiges und wirtschaftlich tragfähiges System werden, mit dem diese Ökostrom-Ausbauziele effizient umgesetzt werden können, die Sektorenkopplung vorangebracht und die Versorgung mit klimafreundlicher und bezahlbarer Energie zu jeder Zeit gesichert werden soll.

Daher müsse sich das Strommarktdesign der Zukunft auch an den Bedürfnissen der erneuerbaren Energien orientieren, so die Ökostrom-Verbände. Das bestehende Strommarktdesign stamme aus einer alten Welt fossiler und atomarer Großkraftwerke. Entsprechend würden mit zunehmendem Anteil eines vornehmlich dezentralen EE-Anlagenparks die Schwächen des Systems deutlich.


Das aktuelle Stromsystem solle so verändert werden, dass dezentrale Back-ups und Mengenförderung ein flexibleres Stromsystem bestimmen, wie der Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) erklärte. "Flexibilität ist die zentrale Währung des zukünftigen Strommarkts. Das dezentrale Back-up aus flexibel steuerbarer Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Speichern, grüner Kraft-Wärme-Kopplung und Sektorenkopplung ist neben Netzausbau und Lastmanagement der intelligente Partner von Wind- und Solarenergie", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. "Um auch bei der Förderung flexibel auf die Bedürfnisse der Erneuerbaren zu reagieren und marktliches Verhalten anzureizen, ist das bestehende starre Modell der Zeit- auf eine Mengenförderung umzustellen und damit Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette auszulösen."

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), forderte zudem, dass Marktbarrieren bei der Errichtung von Millionen neuen Solaranlagen und Speichern schnell eingerissen werden müssten, um die "gewaltigen Potenziale der Solarenergie" nutzbar zu machen. "Ihre bedarfsgerechte Fahrweise kann durch gezielte Anreize, kluge Marktregeln und ein smartes Energiemanagement erreicht werden. Ein modernes Strommarktdesign muss planungssicher, unbürokratisch und barrierearm ausgestaltet sein", sagte Körnig. "Zukunftstauglich ist es dann, wenn es für Erzeuger, Verbraucher und Prosumer (Produzent und zugleich Verbraucher) gleichermaßen attraktiv ist, wenn es Großinvestoren und Bürgergenossenschaften anspricht. Sie alle werden für den Umbau des Energiesystems gebraucht."

Der Bundesverband Windenergie (BWE) forderte eine bessere Nutzung der Sektorenkoppelung, bei der es um die Verbindung der Energiesektoren Strom, Verkehr und Wärme geht. Die Windenergie böte zahlreiche Möglichkeiten zur Sektorenkopplung. "Die Schaffung möglichst umfangreicher Verknüpfungen der Sektoren ist auch eine Investition in die Flexibilisierung des Stromnetzes. Hier muss die Maßgabe klar sein: Jede erzeugte Kilowattstunde grünen Stroms muss auch genutzt werden", sagte BWE-Präsident Hermann Albers.

Windenergie könne etwa mittels Elektrolyseuren zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden und somit eine der Schlüsseltechnologien für die Transformation energieintensiver Industrien, wie der chemischen Industrie oder der glasverarbeitenden Industrie, werden. Andere Lösungen zur Entlastung der Netze an besonders windreichen Tagen seien zudem das Laden von E-Autos mittels Strom aus Wind oder die Erzeugung von Wärme.

Der Interessenverband der Bioenergieerzeuger (HBB) betonte, dass Biogasanlagen, Biomethan-BHKW und Holzheizkraftwerke bereits heute einen signifikanten Beitrag für eine sichere und verlässliche Stromversorgung lieferten. Gleichzeitig stellten sie erneuerbare Wärme bereit. "Zukünftig muss dieses Alleinstellungsmerkmal der Bioenergie noch gezielter genutzt werden", forderte Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB).

MBI/DJN/cdg/20.2.2023
Erschienen am 20.02.2023
letzte Aktualisierung am 20.02.2023