Newsletter und Analysen für die Neue Energiewelt seit 2003

Rahmenbedingungen ändern/Sonne und Wind könnten gesamten Strombedarf decken

Quelle: MBI EnergySource

Deutschland könnte seinen kompletten Strombedarf mit erneuerbaren Energien erzeugen. Das wirtschaftliche Potenzial ist zurzeit allerdings geringer, weil mit steigendem Anteil der Erneuerbaren die Strompreise sinken und den Bau neuer Ökostromanlagen unwirtschaftlich machen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Beratungsgesellschaft Aurora Energy Research. Das geografisch-technologische Potenzial sei ausreichend, um den heutigen Verbrauch in Deutschland dreimal zu decken und damit auch die Klimaziele für 2030 und 2050 zu erreichen.

"Wir nutzen heute bei Photovoltaik und Offshore-Wind nur etwa zehn Prozent des geografisch-technologischen Potenzials, bei Onshore-Wind knapp ein Drittel", erklärte Casimir Lorenz, Projektleiter bei Aurora Energy Research. Daher bleibe mehr als genug Spielraum, um die bis 2030 den Erneuerbaren-Anteil auf 65 Prozent zu steigern und bis 2050 die Energieversorgung weitgehend CO2-frei zu gestalten. Laut Studie könnte die Wind- und Solarenergie in Deutschland gut 1.200 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr liefern. Bis 2040 könnte durch den technologischen Fortschritt dieser Wert sogar bis rund 1.800 gesteigert werden - das entspricht dem Dreifachen des aktuellen deutschen Strombedarfs.

Doch die Studienautoren von Aurora ermittelten eine andere Hürde, die die Politik überwinden müsse, um die Erneuerbaren zum Hauptstromlieferanten zu machen. Je mehr Ökostrom auf dem Markt, desto stärker sinken auch die Börsenstrompreise, weil die bestehenden Anlagen wegen der niedrigen Betriebskosten sehr günstig produzieren können. "Das bremst den weiteren Zubau, denn das für die Anlagenerrichtung nötige Kapital muss trotzdem finanziert werden", sagte Lorenz. Je nach Höhe der Kapitalkosten sei ab einem bestimmten Anteil Erneuerbarer der Strompreis zu niedrig, als dass sich ein weiterer Zubau wirtschaftlich lohnen würde.

Die Berechnungen der Aurora-Experten ergeben, dass diese so genannte Preis-Kannibalisierung einen rein marktbasierten Erneuerbaren-Ausbau so früh ausbremsen würde, dass weder das 65-Prozent-Ziel noch die Treibhausgasneutralität 2050 erreicht würden. Nach Einschätzung der Studienautoren könnte dem beispielsweise mit einer Erhöhung der CO2-Preise entgegengewirkt werden. Dann nämlich würde das Strompreisniveau steigen und damit auch die Einnahmen der Erneuerbaren steigern.

Aurora wies auch auf die Lücke durch den Fadenriss beim Ausbau der Windenergie an Land hin. Um das Ökostromziel von 65 Prozent zu erreichen, müssten Solarkraft und Offshore-Windenergie diese Lücke schließen. Dazu seien jährlich neun bis elf Gigawatt neuer Solarleistung nötig. 
Kurfassung der Studie: 
https://t1p.de/j7pg
MBI/aul/20.5.2020
Erschienen am 20.05.2020
letzte Aktualisierung am 20.05.2020