Newsletter und Analysen für die Neue Energiewelt seit 2003

Solarenergie überholt in der EU erstmals Stromerzeugung aus Kohle

Quelle: MBI EnergySource

Im Jahr 2024 wird die Solarenergie 11 Prozent des Stroms in der EU erzeugen und damit zum ersten Mal die Kohle mit 10 Prozent überholen. Zu diesem Ergebnis kommt die Denkfabrik Ember in ihrem „European Electricity Review“.
Die Gaserzeugung in der EU sei das fünfte Jahr in Folge zurückgegangen, und die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen fiel auf einen historischen Tiefstand. In Deutschland stieg die Solarstromerzeugung auf 15 Prozent, während der Anteil der Kohle auf einen historischen Tiefstand von 22 Prozent fiel. Dennoch bleibt Deutschland mit einem Anteil von 39 Prozent an der Kohleverstromung in der EU das führende Land.

Struktureller Niedergang von Gas

"Fossile Brennstoffe verlieren ihren Einfluss auf die Energieversorgung der EU", ist Chris Rosslowe, leitender Analyst und Hauptautor des Berichts, überzeugt. Zu Beginn des europäischen Green Deals im Jahr 2019 hätten nur wenige gedacht, dass die Energiewende in der EU so weit fortgeschritten sein könnte wie heute: Wind- und Solarenergie drängen die Kohle an den Rand und zwingen Gas in den strukturellen Niedergang. Auch Deutschland hat ein beeindruckendes Wachstum bei Wind- und Solarenergie erzielt, aber es bedarf nachhaltiger politischer Anstrengungen, um die Abhängigkeit von Kohle weiter zu verringern."

Der heute veröffentlichte European Electricity Review des globalen Energie-Thinktanks Ember bietet den ersten umfassenden Überblick über das EU-Stromsystem im Jahr 2024. Darin werden die Stromerzeugungs- und -nachfragedaten aller 27 EU-Länder für das Jahr 2024 analysiert, um die Fortschritte der Region bei der Umstellung von fossilen Brennstoffen auf sauberen Strom zu verstehen.

Wind- und Solarenergie setzen kometenhaften Aufstieg in EU fort

Der EU-Energiesektor befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der durch den europäischen Green Deal vorangetrieben wird. Die Solarstromerzeugung (11 Prozent) hat 2024 zum ersten Mal die Kohle (10 Prozent) überholt, während die Windenergie (17 Prozent) das zweite Jahr in Folge mehr Strom als Gas (16 Prozent) erzeugt hat. Das starke Wachstum der Solarenergie in Verbindung mit einer Erholung der Wasserkraft ließ den Anteil der erneuerbaren Energien auf fast die Hälfte der Stromerzeugung in der EU (47 Prozent) ansteigen. Im Jahr 2024 wurden 29 Prozent des Stroms in der Union durch fossile Brennstoffe erzeugt. Im Jahr 2019, vor dem Green Deal, lieferten fossile Brennstoffe 39 Prozent des EU-Stroms, während erneuerbare Energien 34 Prozent beisteuerten.

Der Übergang Deutschlands zu einem sauberen Energiesystem steht im Einklang mit der Entwicklung in der EU. Im Jahr 2024 lag der Anteil der Solarenergie an der deutschen Stromerzeugung bei 15 Prozent nach 12 Prozent im Jahr 2023. Die Kohleverstromung fiel auf einen historischen Tiefstand von 22 Prozent.

Deutschland war 2024 der größte Solarstromerzeuger in der EU (71 Terawattstunden (TWh), lag aber hinter seinem Nachbarn, den Niederlanden (17,5 Prozent). Die Windkraft (28Prozent) erzeugte das zweite Jahr in Folge mehr Strom in Deutschland als die Kohle. Zusammen haben Deutschlands Wind- und Solarenergie (42,8 Prozent) zum ersten Mal die fossilen Brennstoffe (42,5 Prozent) überholt. Dennoch bleibt Deutschland mit einem Anteil von 39 Prozent Kohleverstromung in der EU das führende Land.

Diese Trends sind weit verbreitet. Die Solarenergie nimmt in allen EU-Ländern zu, und in mehr als der Hälfte der Länder gibt es entweder gar keine Kohleenergie oder ihr Anteil am Strommix liegt unter 5 Prozent. Kohle ist von der drittgrößten Stromquelle der EU im Jahr 2019 auf Platz 6 im Jahr 2024 zurückgefallen. Damit ist für die Denkfabrik das Ende des schmutzigsten fossilen Brennstoffs in Sicht ist. Auch die Gaserzeugung in der EU ist das fünfte Jahr in Folge zurückgegangen (-6 Prozent), obwohl die Stromnachfrage nur geringfügig gestiegen ist (+1 Prozent).

EU erntet die Vorteile einer geringeren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen

Der starke Anstieg der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie hat die Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen und ihre Anfälligkeit für Preisschwankungen seit der Energiekrise verringert. Die Analyse von Ember ergab, dass die EU ohne die in den vergangenen fünf Jahren neu hinzugekommenen Wind- und Solarkapazitäten zusätzlich 92 Milliarden Kubikmeter fossiles Gas und 55 Millionen Tonnen Kohle importiert hätte, was 59 Milliarden Euro gekostet hätte.

"Die Energiewende in Deutschland hat trotz erheblichen Gegenwinds beeindruckende Fortschritte und Widerstandsfähigkeit gezeigt", sagte Leo Heberer, Datenanalyst bei Ember. "Die Solarenergie wird ihr geplantes Ziel für den Kapazitätszubau im Jahr 2024 erneut übertreffen", sagte er. Obwohl der Zubau von Windenergie weiterhin hinter den Erwartungen zurückbleibr, zeigten die von der Ampelkoalition durchgeführten Genehmigungsreformen erste Erfolge, so dass 2024 ein Rekordjahr für erfolgreiche Windausschreibungen und genehmigte Kapazitäten wird. "Der neuen Regierung, die nach den Wahlen im Februar ihr Amt antritt, wird ein starkes Fundament für weitere Fortschritte hinterlassen."

Allerdings sind noch einige Herausforderungen zu bewältigen. So hinkt Deutschland mit dem Kohleausstiegsdatum 2038 den meisten europäischen Ländern hinterher, und der Aufbau einer neuen Netzinfrastruktur muss dringend vorangetrieben werden.

"Die Umstellung der Stromversorgung in der EU ist in den vergangenen fünf Jahren zwar schneller vorangekommen als erwartet, doch weitere Fortschritte sind nicht selbstverständlich", so Rosslowe weiter. "Die Umsetzung muss beschleunigt werden, vor allem im Windsektor, der mit besonderen Herausforderungen und einer wachsenden Umsetzungslücke zu kämpfen hat. Bis 2030 muss sich der jährliche Zubau von Windkraftanlagen im Vergleich zu 2024 mehr als verdoppeln. Die Errungenschaften der vergangenen fünf Jahre sollten jedoch die Zuversicht stärken, dass mit anhaltendem Elan und Engagement die Herausforderungen gemeistert und eine sicherere Energiezukunft erreicht werden kann".

Für Beatrice Petrovich, leitende Analystin bei Ember, nähert sich die EU mit großen Schritten einer sauberen Energiezukunft, die durch einheimische Wind- und Sonnenenergie angetrieben werde. Dieses neue Energiesystem werde die Anfälligkeit der EU für Preisschocks bei fossilen Brennstoffen verringern, die Klimakrise bekämpfen und erschwingliche Energie für die Haushalte und Unternehmen der EU liefern. Rechtzeitige politische Maßnahmen, die das Wachstum von Wind- und Solarenergie unterstützen, den Einsatz von sauberer Flexibilität beschleunigen und die Elektrifizierung fördern, werden dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern.

MBI/sir/23.1.2025
Erschienen am 23.01.2025
letzte Aktualisierung am 23.01.2025