Newsletter und Analysen für die Neue Energiewelt seit 2003

Steuer oder Zertifikatehandel - das ist die Frage

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (Auflage: 268.110) Seite 16 Manfred Schäfers und Niklas Záboji

Originaltitel: Der Tag der Entscheidung
Originaluntertitel: Nach monatelangen Debatten steht die Bundesregierung vor einer klimapolitischen
Richtungsentscheidung. Verschiedene Maßnahmen stehen zur Wahl. Eine Übersicht.
Darüber, dass CO2-Emissionen teurer werden müssen, sind sich alle einig. Doch über den richtigen Weg dorthin sind Union und SPD nach wie vor uneins. Nach Ansicht von Experten ist klar, dass Benzin, Diesel und Heizöl - auch für die Verbraucher - teurer werden müssen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Doch während die SPD daher eine CO2-Steuer präferiert, setzt die CDU auf den Zertifikatehandel. Wenn sich die Koalitionäre in dieser Frage nicht einigen, könnte es passieren, dass sich das Klimapaket im Klein-Klein verliert.
Aktuellen Schätzungen zufolge dürfte Deutschland sein Ziel die CO2-Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken - wenn auch knapp - verfehlen. Die Reduktion wird wohl nur 32 Prozent betragen. Neben dem "Druck der Straße" von Fridays-for-Future-Demonstranten und Co. gibt es auch handfeste finanzielle Gründe dafür, weshalb die Anstrengungen intensiviert werden müssen: Wegen verbindlicher Zusagen werden vom kommenden Jahr an voraussichtlich einige Milliarden Euro an Strafzahlungen fällig. Über den Marktpreis lässt sich der Umgang mit allen Ressourcen, und so auch mit fossilen Brenn- und Treibstoffen, regeln. Steigen ihre Preise, werden sie weniger nachgefragt. Hierfür gibt es nach Ansicht von Ökonomen zwei Wege: eine CO2-Steuer als
Preisanreiz (das präferiert die SPD) und einen Handel mit CO2-Zertifikaten als Mengensystem (das präferiert die Union). Die Steuer zeichnet sich dadurch aus, dass sie einfach, schnell zu implementieren und politisch steuerbar ist. Der Vorteil eines Zertifikatehandels liegt in der Deckelung der Emissionen - die vom Gesetzgeber beabsichtigten Reduktionen werden immer erreicht, da exakt so viele Zertifikate versteigert werden, wie CO2 emittiert werden soll. Für führende Ökonomen ist ein EU-weiter Emissionshandel deshalb langfristig das beste System, wenn er über alle Bereiche hinweg eingeführt wird und es keine sektorspezifischen Sonderziele gibt. Der ETS genannte Handel mit Emissionsrechten wurde zwar schon im Jahr 2005 eingeführt und hat den CO2-Ausstoß seither deutlich reduziert. Doch gilt die Pflicht zum Zertifikate-Erwerb bislang nur für die Großindustrie, die Energiewirtschaft und Fluggesellschaften auf innereuropäischen Verbindungen - und damit für weniger als die Hälfte aller Emittenten. In allen übrigen Sektoren zahlen Verbraucher und Unternehmen je Liter fossiler Brenn- und Treibstoffe bislang bloß die früher Mineralölsteuer genannte Energiesteuer sowie die Stromsteuer, deren Höhen sich nicht systematisch am CO2-Ausstoß orientieren. Will die Bundesregierung ihr Klimazwischenziel im Jahr 2030 erreichen, müssen nach Berechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Berliner Mercator-Instituts Benzin, Diesel und Heizöl deutlich teurer werden.
Erschienen am 19.09.2019
letzte Aktualisierung am 19.09.2019