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Windkraft Onshore in NRW: Aufforsten mit Windrädern

Eine Waldfläche in Nordrhein-Westfalen, so groß wie das halbe Saarland, ist so stark geschädigt, dass gerodet und wiederaufgeforstet werden muss. Oder aber es kommen Windparks hin.
Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) macht jetzt mit den privaten Waldbesitzern im Bundesland gemeinsame Sache für mehr Windkraft im Wald, und zwar in jenen Waldflächen, die von Wetter und Ungeziefer so stark geschädigt sind, dass der Restbestand ohnehin gerodet und komplett wiederaufgeforstet werden müsste. Diese nennen sich „Potenzialflächen“, „Schadflächen“ oder „Kalamitätsflächen“.

LEE und Waldbauernverband (WBV) NRW riefen am 25. August die Waldbesitzer dazu auf, ihre Potenzialflächen für neue Windenergieanlagen zu melden. Erste Standortvorschläge übergaben Christian Mildenberger vom LEE und Eberhard von Wrede vom WBV (Waldbauernverband NRW= an die Bezirksregierung Arnsberg.

Für Waldwind gibt es bessere Ausgleichsflächen

Mildenberger betonte dabei, dass bei der Errichtung von Waldwindanlagen an anderer Stelle wiederaufgeforstet wird, mit dem Ausbau der Windkraft dort also die Waldfläche insgesamt gleich bleibt und die Ausgleichsflächen „häufig klimaresilienter“ seien. Zudem handle es sich oft um schwach bevölkerte Mittelgebirgslagen mit ausreichendem und regelmäßigem Wind.

Von Wrede sprach von einer Win-Win-Situation: Waldeigentümer könnten von den Pachteinnahmen aus Windkraft die nötigen großen Wiederaufforstungs-Kampagnen leichter bezahlen. In den nächsten Jahren müssten 150.000 Hektar wiederaufgeforstet werden.

Das Potenzial von Waldwind

Schadflächen bieten ein enormes Potenzial für die Windkraft. Allein in Nordrhein-Westfalen sind im Waldzustandsbericht 2022 des Bundes 38 Prozent der Waldfläche den Schadstufen zwei bis vier zugeordnet. Der NRW-Landesbetrieb Wald und Holz spricht von 15 Prozent oder 135.000 Hektar „Schadfläche“, auf denen nur noch durch Aufforstung ein widerstandsfähiger Wald wachsen würde.

135.000 Hektar, das ist so groß wie die Hälfte des Saarlandes oder 190 Fußballfelder. Und ein modernes Windrad brauche nur einen halben Hektar, um errichtet und betrieben zu werden, erklärte LEE-Geschäftsführer Mildenberger.

Ein Potenzial also für hunderttausende Windenergieanlagen, sehr theoretisch natürlich, denn von ihm müssen technisch nicht realisierbare oder zu schwachwindige Standorte, bestimmte Natur-, Wasser- und Vogelschutzgebiete, zu nah an Siedlungen heranrückende Flächen und etliche weitere Restriktionsflächen abgezogen werden. Und die Ausgleichsflächen − Stichwort halbes Saarland − müssten erst zur Verfügung stehen.

Die Schadflächen in NRW sind jedenfalls doppelt so groß als jener Anteil an der Landesfläche, die das Bundesland gemäß Windenergiebedarfsflächengesetz bis 2032 ausweisen muss und bis 2025 ausweisen will.

Bis 2022 wurde der Wald aber in NRW kaum für Windkraft genutzt, weil ihn die schwarz-gelben Landesregierungen bis dahin mehr oder weniger dafür sperrten. Ende 2022 gab es in dem Land nur 114 Windturbinen mit 322 MW, das waren lediglich 3 Prozent aller Windräder.

Mit Schwarz-Grün in Düsseldorf kam Bewegung rein: Ende 2022 verfügte ein Winderlass der Landesregierung, dass geschädigte Waldflächen "regelmäßig" für Windkraft „zur Verfügung stehen“ (wir berichteten).

Und dann müssten die Waldeigner auch noch wollen. Oder dürfen. Auch die Schadflächen gehören zumeist dem jeweiligen Staatsforst, dann kommen erst die privaten, kommunalen und kirchlichen Waldbesitzer. Während etwa die Landesforstbetriebe in Hessen, Baden-Württemberg und sogar im besonders Windkraft-kritischen Bayern längst regelmäßig „Kalamitätsflächen“ an Windkraft-Projektierer ausschreiben, fehlt das Wort „Windkraft“ auf der Internetseite des Landesbetriebes Wald und Holz NRW. Jetzt hat die dortige Windbranche wenigstens die organisierten Privatwaldbesitzer auf ihre Seite gezogen.

MBI/geo/28.8.2023
Erschienen am 28.08.2023
letzte Aktualisierung am 29.08.2023