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Wird der Emissionshandel zum teuren Bumerang?

Quelle: die tageszeitung (Auflage: 53.097) Seite 8 Malte Kreutzfeldt

Originaltitel: Beim Emissionshandel droht Rückzahlung
Originaluntertitel: Experten üben bei Bundestagsanhörung scharfe Kritik am geplanten Gesetz – nicht nur wegen
fehlender Wirksamkeit, sondern vor allem, weil es vermutlich verfassungswidrig ist
Experten haben erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des geplanten Emissionshandels im Bereich Wohnen und Verkehr. Das wurde bei einer Anhörung am Mittwoch im Umweltausschuss des Bundestages deutlich. Am Ende, so die Experten, könnten sogar Rückzahlungen drohen. Die Bundesregierung lässt sich von derlei Zweifeln bisher allerdings nicht beirren und hält an den Plänen fest.
Es kommt nicht häufig vor, dass sich die Linke und die FDP einig sind. Umso erstaunlicher, dass sich die von den Bundestagsfraktionen der beiden Parteien eingeladenen Experten am Mittwoch einig waren. Es ging um den geplanten Emissionshandel im Bereich Wohnen und Verkehr. Stefan Klinski, von der Linksfraktion eingeladener Wirtschaftsjurist an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, und Thorsten Müller, der von der FDP vorgeschlagene Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, warnten, die Pläne der Bundesregierung seien voraussichtlich nicht verfassungskonform. "Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich sehr riskant", sagte Klinski im Umwelgausschuss. Bei Müller hörte sich das so an: "Dem Gesetzentwurf begegnen tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken." Die Argumentation fällt bei beiden Juristen ähnlich aus: Der Staat dürfe nicht beliebig neue Steuern einführen. Der geplante CO2-Emissionshandel wirke in den ersten Jahren aber faktisch wie eine Steuer. Außerdem sei keine maximale Menge an Zertifikaten festgelegt. Genau eine solche Begrenzung hatte das Bundesverfassungsgericht bei einer Entscheidung im Jahr 2018 aber explizit zur Bedingung für die Zulässigkeit des Emissionshandels gemacht. Zwar sei es theoretisch denkbar, dass die Verfassungsrichter ihre damaligen Vorgaben lockern und einen Festpreis für eine zeitlich begrenzte Einführungsphase akzeptieren, darauf setzt die Bundesregierung. Das halten die Juristen aber für wenig wahrscheinlich. Aus einer Verfassungwidrigkeit könnten erhebliche finanzielle Belastungen für den Bund entstehen, warnt Müller. Denn wenn bereits im Vorfeld verfassungsrechtliche Bedenken bestanden, könne das Gericht nicht nur die Unvereinbarkeit des Gesetzes feststellen, sondern die Nichtigkeit. "Die Folge wäre die Pflicht zur Rückzahlung der eingenommenen Mittel", so Müller. Die Bundesregierung lässt sich von der wachsenden Kritik allerdings nicht beeindrucken. "Ich vertraue auf die Einschätzung unserer Juristen, die das Gesetz für verfassungskonform halten", sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) der taz.
Erschienen am 07.11.2019
letzte Aktualisierung am 07.11.2019