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Zweite Gebotsrunde für Null-Cent-Gebote/Neues Design für Offshore-Windauktionen sorgt für Unmut

Quelle: MBI EnergySource

Wer künftig Offshore-Projekte in der deutschen Nord- oder Ostsee realisieren will, muss möglicherweise draufzahlen. Denn das geänderte Ausschreibungsdesign im neuen Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) sieht ein zweites Verfahren bei mehreren Geboten mit Null Cent vor. Hintergrund sind die 0-Cent-Gebote bei den Ausschreibungen 2017 und 2018. 

Daher wurde in dem am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf für die Ausschreibungen im zentralen Modell ab 2021 die Möglichkeit geschaffen, 0-Cent-Gebote wettbewerblich zu differenzieren. 

Sie ermöglicht diesen Bietern, in einem zweiten Gebotsverfahren mit mehreren Runden ihre Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen. Das so genannte dynamische Gebotsverfahren erlaubt den Bietern, auch die Zahlungsbereitschaft ihrer Konkurrenten einzusehen, "so dass das erfolgreiche Gebot nicht höher als notwendig ausfällt", heißt es in dem WindSeeG. Diese Zahlungsbereitschaft soll dann die Höhe des Offshore-Netzanbindungsbeitrags bestimmen, den der Projektierer an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber zahlen muss. Mit dieser zweiten Komponente im Ausschreibungsverfahren könnten die Stromkosten der Verbraucher gesenkt werden. Das Verfahren soll nach zweimaliger Anwendung überprüft werden.

Darüber hinaus sollen weiterhin auch Gebote über 0 Cent möglich sein. Ursprünglich sollte der niedrigste Wert der letzten Ausschreibung - also 0 Cent von 2017/2018 - als Höchstwert in der nächsten Ausschreibung (2021) festgelegt werden. Dieser Höchstwert soll jetzt erhöht werden. Andernfalls könnten nur 0-Cent-Gebote abgegeben werden und es bestünde das Risiko, dass sich dies negativ auf die Realisierungswahrscheinlichkeit auswirkt. Der Höchstwert soll künftig auf Basis wirtschaftlicher Berechnungen anhand von Technologiekosten sowie unter Berücksichtigung der kostenrelevanten Eigenschaften der Flächen bestimmt werden.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung im WindSeeG das Förderziel von 15 auf nun 20 Gigawatt (GW) bis 2030 angehoben. Langfristig soll der Offshore-Ausbau bis 2040 bei 40 GW liegen. Ende 2019 belief sich die Gesamtkapazität der deutschen Offshore-Windkraftanlagen auf 7,5 GW. Im laufenden Jahr werden nach Angaben von Verbänden nur wenige Anlagen neu ans Netz kommen, weil keine größeren neuen Projekte mehr begonnen wurden. "Der heute vorgelegte Entwurf des Windenergie-auf-See-Gesetzes ist ein Meilenstein für die Offshore-Windenergie in Deutschland", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das Ausbauziel für 2040 ermögliche allen Akteuren eine langfristige Planung und biete der Offshore-Windenergie einen verlässlichen Rahmen. Das Gesetz muss jetzt noch von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden.

Die Energieverbände begrüßen zwar die Anhebung des Ausbauziels für Offshore-Windkraft. Gleichzeitig lehnen sie jedoch das neue Ausschreibungsdesign entschieden ab. Allen voran der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO) kritisiert das Gesetz als Irrweg. BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm sieht in dem Kabinettsbeschluss das richtige Ziel, aber den falschen Weg. "Aber das neue Ausschreibungsdesign macht die Umsetzung unnötig schwierig und nachweislich teurer als notwendig", erklärte Thimm.

Die vorgesehene Anpassung der Finanzierung erhöhe die Investitions- und somit auch die Stromgestehungskosten. Außerdem senke sie die Realisierungswahrscheinlichkeit bezuschlagter Projekte. Der BWO empfiehlt stattdessen die Einführung von Differenzverträgen. Dabei sind 0-Cent-Gebote ausgeschlossen, die Förderung ist dynamisch und orientiert sich an den Börsenstrompreis. Der Verband fordert, die Entscheidung über die Finanzierung im aktuellen Verfahren zumindest zurückzustellen und über den Sommer einen breiten Dialog mit der Branche zu führen.

Kritik kam auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die im Gesetz geplante zweite Gebotsrunde würde die Risiken für Investoren erhöhen und infolge die volkswirtschaftlichen Kosten der Offshore-Windkraft steigern, gab BDEW-Chefin Kerstin Andreae zu bedenken. Das Modell gefährde zudem Akteursvielfalt und damit einen starken Wettbewerb. "Jetzt ist der Bundestag aufgefordert, den Gesetzentwurf so nachzubessern, dass die Ausbauziele erreichbar sind", sagte Andreae.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) argumentierte ähnlich: "So etwa sorgt das Verfahren, das im Falle von Nullgeboten bei Ausschreibungen greifen soll, weiter für spekulatives Bieten, auf das sich nur große Akteure einlassen können", sagte VKU-Chef Ingbert Liebing. Für Stadtwerke, die sich auch künftig beim Ausbau der Offshore-Windenergie engagieren wollten, sei der Gesetzentwurf eher eine Hürde als eine Brücke. Der VKU fordert ein alternatives Modell, bei dem sich die Gebote an den tatsächlichen Stromgestehungskosten und nicht an "unsicheren Preisprognosen" orientierten. Eine Möglichkeit dafür sei, über so genannte Contracts for Difference (Differenzverträge) die Stromerlöse abzuschöpfen, die über den anzulegenden Wert hinausgehen. 

Ali Uluçay
MBI/aul/3.6.2020
Erschienen am 03.06.2020
letzte Aktualisierung am 03.06.2020